Mir kommt für dieses Blog nichts mehr in den Sinn. Seit ein paar Wochen herrscht Leere in der Ideenwelt für kurze Artikel oder Geschichten. Ein paar große Themen rumoren noch im Kopf, jedoch möchte ich sie nicht allzu sehr eindampfen und habe gleichzeitig nicht die Zeit, mich richtig in sie zu stürzen.
Wie entsteht eine solche Lücke, Pause, Leere? Meine früher übliche, tagtägliche Beschäftigung mit Büchern, Geschichte(n), Politik, Theorie oder Moral hat sich enorm reduziert. Aus dem Leben eines Studierenden hat sich das eines Familientieres entwickelt, das neben Beruf (40 Stunden) und Familie kaum Zeit für sich und den Intellekt hat. Auch die ehemals alltägliche Begegnung mit Leuten, die irgendwie (und nicht selten vermeintlich) die eigenen Interessen teilten und die Gespräche in eine erahnbare und vertraute Richtung laufen ließen, reduzierte sich stark. Schon bevor die Kinder zur Welt kamen zeigte sich, dass mir die akademische Welt nicht mehr geheuer war. Zu sehr liefen die Gedanken und die Art, sie zu formulieren auseinander. Meine Dissertation in der Philosophie scheiterte nicht nur, weil mein erstes Kind starb. Schon vorher empfand ich Unsicherheit über das Thema (Menschenrechte), die Herangehensweise (schwankend zwischen Analyse und Unterwanderung des Mainstreams) und meinen damaligen intellektuellen Kontext. Kontext? Radikale Linke, die für dieses Thema allenfalls ein mildes Lächeln übrig haben, ein Unikolleg, in dem es hauptsächlich um Textkonsum ging, sowie ein paar frustrierte Geistes- und SozialwissenschaftlerInnen, die auch mit anderen Dingen beschäftigt waren und sind. Kurz gesagt, meine Art an einen Text oder ein Thema heran zu gehen passt einfach nicht in die Uni, wirkt dort unproffessionell und selbstbezogen.
Bliebe noch die Politik oder die Gruppe.
Jetzt empfinde ich die Auseinandersetzungen in der linken Szene weder als uninteressant, noch von den Thesen her falsch, aber doch ungeheuer anstrengend, konkurrenzbelastet und gleichzeitig repetitiv. Ein paar wirklich coole und fruchtbare Kontakte zerschlugen sich durch Umzüge ähnliche Schicksale. Aber ich weiß, es gibt eine Menge Leute, die sich persönlich und abstrahierend mit etwas beschäftigen wollen und können, die auch immerhin so viel über die eigenen Unsicherheiten wissen, dass sie nicht ständig alle Welt mit ihren Gewissheiten überziehen müssen. Ein Theweleits-Männerphantasien-Lesekreis war meine letzte großartige Erfahrung.
Nun, zwei Kinder und etwa sieben Jahre später? Ich lebe in der Provinz (und am Meer), verbringe sehr viel Zeit vor dem Rechner um mit Programmieren unser Geld zu verdienen, der Rest bleibt für die Familie.
Dieses Treiben in die geistige Langeweile bei ernormer Anstrengung durch Beruf und Kinderbetreuung wird in erster Linie durch Kontaktverlust erzeugt. Beziehung ist beinahe alles, gerade in der Frage der hobbyesken oder weiter reichenden Interessen. Es gibt sogar Jobs im Bereich des politischen Engagements – wenige und stark umkämpfte, aber trotzdem. Vereine und Organsiationen machen Jungen- oder Männerarbeit, andere versuchen, den Nazis Einflussmöglichkeiten zu entziehen, wieder andere machen Flüchtlingsarbeit oder Gewerkschaftsseminare. Schließlich gibt es sogar noch ein paar wirklich gute Redaktionen von Zeitungen und Zeitschriften, manchmal sogar mit etwas Budget. Ich hatte jedoch weder in die akademische Welt, noch in diese nennenwerte Kontakte. Die Suche nach gegenseitiger Anerkennung, stabiler Verlässlichkeit im Alltag oder einfach etwas Party gleicht nicht der Pflege eines Netzwerks aus Interessen. Selbst den letzten Versuch eines alten Bekannten, in einen geförderten Forschungskreis und eine angeschlossene Beratungsfirma zum Thema Demokratisierung von Abeitsprozessen und -verhältnissen zu rutschen habe ich, schon fest in meinem Beruf stehend, schließlich abgewiesen. Meine Büroarbeit ließ sich einfach über Bewerbungsschreiben initiieren, daher der (leere?) Raum ohne geteilte Interessen um mich herum.
Nun muss und werde ich irgendwie von vorne beginnen, weiß aber nicht recht, wo anknüpfen? Ehrlicher: bei wem? Nebenbei, der Austausch über Social Media kann face-to-face Kontakte nicht ersetzen. Zumal dieses Blog kaum gelesen wird (Ihnen sei an dieser Stelle ausdrücklich gedankt!), noch viel seltener reagieren Leute auf einzelne Texte. Gleiches gilt für Facebook, meinen Twitter-Account habe ich wegen Mangel an Resonanz ganz abgestellt.
Retrospektiv ergibt sich also ein Bild der Verlangeweilung und Verspießung, des Rückzugs auf private Interessen. Alle möglichen Bezieungen zu Menschen in der akademischen Welt oder im Spektrum der engagierten Berufe gingen verloren, weil eine distanzierte Stabilität fehlte; der seltene, aber einfache Anruf á la: „Hey, wir wollen hier dies und jenes machen, hast du nicht Lust etwas beizutragen?“ erschien abwegiger als small talk oder flauschiger Plausch. Aber auch die ständige Vermengung von Freizeit und Beruf, die praktisch nie enden wollende Arbeit – noch um zwei Uhr morgens wurde über ach so wichtige und brisante Themen gesprochen in den beiden genannten Sphären hat mich überfordert und manche Ereignisse in meinem Leben waren und sind unvereinbar damit.
So liegt auch schon beinahe fest, was künftig passieren sollte. Mehr bewusstes vernetzen und Kontakte schmieden, die Generierung von persönlicher Sicherheit aus vom Netzwerk getrennten Quellen (als da wären Freundschaften, Familie, vielleicht Liebschaften und das Selbst im präzisen Sinne eines Bildes vom Ich, auf das das Individuum zurückgreifen kann) und die Akzeptanz der eigenen Grenzen als Basis für die Belebung von Interessen. – Wer hat also Bock auf einen neuen Arbeitskreis?